Warum sich Jüngere und Erfahrene oft missverstehen

„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.“ Dieser Satz wird dem griechischen Philosophen Sokrates zugeschrieben, obwohl er auch aus einem Büro der Gegenwart stammen könnte. Der Satz spiegelt ein Nichtverständnis unterschiedlicher Generationen wider – und trifft somit genau ins Mark generationengemischter Unternehmen und Teams!

Keine Interaktion zwischen jüngeren und älteren Kolleginnen und Kollegen

Auch mir begegnet die Kluft der Generationen in meiner Arbeit als Beraterin und Coach immer wieder. Bei einem geschätzten Kunden, einer Münchner Versicherung, hatte ich sowohl mit Azubis und Young Professionals zu tun als auch mit Ausbildern und Vorgesetzten. Man konnte beobachten: Die jüngere Generation konnte kaum mit der Arbeitsweise der erfahreneren umgehen – und andersherum. Interaktion zwischen beiden Generationen findet gehemmt und voller Unverständnis statt.

Karriereleiter versus Wechselseitigkeit

Um den Generationenkonflikt zu lösen und eine Brücke zwischen beiden Lagern zu bauen, lohnt es sich, deren Unterschiede zu verstehen. Angefangen bei der Frage: Warum suche ich mir eigentlich einen Beruf aus? Vor 40 bis 50 Jahren war diese Frage davon getrieben, etwas Vernünftiges, Solides zu machen und sich somit eine erfolgreiche Laufbahn zu ermöglichen. Die klassische Konzernkarriere lief oftmals in ein und demselben Unternehmen ab.

Die heute berufssuchenden Generationen gehen ganz anders daran: Sie schauen, was ihnen Spaß machen könnte, was sie interessant finden, und fangen dann etwas an, im Wissen, eine große Vielzahl an Möglichkeiten zu haben und immer noch wechseln zu können. Diese Generation ist nicht so festgelegt. Das macht sich teilweise auch schon heute in Konzernen bemerkbar. So verschiebt sich in den Erwerbsbiografien das Verhältnis der klassischen Karriere bei wenigen Unternehmen zugunsten von Quereinsteigern, die schon viel ausprobiert haben.

Unterschiedliche Ziele

Eine weitere wichtige Frage ist: Welche Ziele werden mit einer Ausbildung oder einer Berufswahl verfolgt? Auch hier sind die Unterschiede zwischen den Generationen deutlich erkennbar. Früher ging es vor allem um Karriere, darum, schnell hoch hinaus zu kommen und finanziell gut dazustehen. Die Jüngeren treibt dagegen die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit um und der Wunsch, eine tolle Zeit zu verbringen. Die Denkweise nach einer Berufsausbildung hat sich ebenfalls stark verändert. So planten viele Leute früher, in der Firma zu bleiben, wo sie ihre Ausbildung gemacht haben. Das bot sich schließlich an, hier konnte man Karriere machen. Manche beabsichtigten sogar, von ihrem Unternehmen aus später in Rente zu gehen.

Die Jüngeren wägen nach einer Ausbildung dagegen erst einmal ab: Ist der Job und der Arbeitgeber immer noch etwas, was zu mir passt, was mir gefällt? Finde ich hier einen Sinn in meiner Arbeit? Passen meine Werte zum Unternehmen? Die jüngeren Generationen haben auch keine Scheu davor, noch einen anderen Beruf zu erlernen oder ein weiteres Mal zu studieren.

Ein sich durchziehendes Muster

In der Münchner Versicherung konnte man den Generationenunterschied auch darin sehen, wie Mitarbeitende an Aufgaben und Projekte herangehen. Gibt man den Mitarbeitenden älterer Generationen eine Aufgabe, setzen sie sich akribisch daran, bearbeiten diese Aufgabe gründlich, überlegen, prüfen und stecken viel Zeit hinein. Bevor sie sich Feedback bei Vorgesetzten einholen, ist die Aufgabe eigentlich schon fast erledigt.

Heute läuft das ganz anders, eher nach dem Minimalprinzip: Die Jüngeren verschaffen sich erst einmal einen Überblick, fangen dann kurz an und holen sich direkt Feedback bei Ausbilderinnen & Ausbildern oder Vorgesetzten. Diese sind dann manchmal verwundert, mit welch dürftigen Ergebnissen sie sich auseinandersetzen müssen. In den Augen der Jüngeren ist es aber etwas Positives, sofort Rückmeldung zu bekommen – einfach um zu wissen, ob der Weg stimmt. Diese Arbeitsweise ähnelt ein bisschen der von agilen Organisationsstrukturen: schnelle, direkte Feedbackschleifen, einfach mal machen und auf dem Weg zum Ziel Korrekturen vornehmen. Das Muster unterschiedlicher Herangehensweisen jüngerer und älterer Generationen zieht sich durch viele Arbeits- und Lebensweisen hindurch.

Wie sollten Mitarbeitende mit dem „Generation-Gap“ umgehen?

Bleibt die Frage, wie ich ganz persönlich mit älteren oder jüngeren Kolleginnen & Kollegen umgehen sollte. Zunächst gilt es, nicht von sich selbst auf andere zu schließen.

Jede Generation ist ein Produkt aus der Zeit, in der sie ihre prägenden Jahre hatte.

Auch sollte man sich klar machen, dass die Andersartigkeit in Unternehmen benötigt wird, um zukunftsfähig zu bleiben. Denn nicht nur Mitarbeitende, sondern auch Kunden und Märkte verändern sich. Vorgesetzte sollten genau beobachten, wie die Interaktion und Kooperation zwischen Jung und Alt verläuft – und bei zu wenig davon eingreifen und die Interaktion und Zusammenarbeit fördern, aber auch einfordern.

Die jüngere Generation bringt neue Kompetenzen und Sichtweisen ins Unternehmen, von denen die ältere Generation lernen kann. Die älteren Generationen können ihre Erfahrung und Expertise an die jüngeren vermitteln. Es ist eine Win-win-Situation.

Dieser Artikel ist zuerst entschieden in der Xing-Insider-Artikel-Sammlung von Nele Kreyßig am 16. April 2019

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